Wettbewerb verstehen, bevor man ihn führt – Das Five Forces-Modell von Michael E. Porter
Als Michael E. Porter 1979 seinen richtungsweisenden Artikel „How Competitive Forces Shape Strategy“ in der Harvard Business Review veröffentlichte, lieferte er nicht nur ein Analyseinstrument – er definierte Strategie neu. Weg vom vagen Bauchgefühl, hin zu einer systematischen Erkundung des Wettbewerbsumfelds. Zwei Jahre später, in “Competitive Strategy” (1980), verdichtete Porter sein Denken in ein Modell, das bis heute weltweit zu den strategischen Grundlagen zählt: das Five Forces-Modell.
Porters Modell wurzelt in der Industrieökonomie und der klassischen Wettbewerbstheorie, greift aber zugleich tief in die strukturalistische Denktradition ein. Im Gegensatz zu subjektzentrierten Führungsmodellen fragt es nicht: „Was kann das Unternehmen?“, sondern: „Was erlaubt der Markt?“ Dabei folgt es der Überzeugung, dass der Erfolg eines Unternehmens maßgeblich durch externe Kräfte bestimmt wird – nicht nur durch interne Stärken.
Es ordnet sich damit weniger den psychologischen oder entwicklungsorientierten Führungstheorien zu, sondern steht im Kontext strukturtheoretischer Ansätze, vergleichbar mit systemischen Modellen der Umweltanalyse oder makroökonomischer Wettbewerbsdynamik. Die zentrale Idee: Branchen unterscheiden sich in ihrer Attraktivität – und diese Attraktivität lässt sich entschlüsseln, beeinflussen und strategisch nutzen.
Der Schlüssel zur Wirkung des Modells liegt in seiner Objektivierungskraft: Es verwandelt komplexe Marktverhältnisse in klare, strukturierte Fragen. Und es zwingt Führungskräfte dazu, sich mit den Kräften auseinanderzusetzen, die ihren Handlungsspielraum prägen – bevor sie versuchen, ihn zu erweitern.
Modellstruktur und Anwendungslogik des Das Five Forces-Modell: Analyse als strategische Kunstform
Das Five Forces-Modell entfaltet seine Kraft in der systematischen Durchdringung der fünf Wettbewerbskräfte. Es fragt nicht nur, was passiert, sondern warum – und wie stark. Die fünf Kräfte sind dabei keine isolierten Phänomene, sondern ein dynamisches Gefüge. Jede Kraft spiegelt eine andere Machtquelle im Markt wider – und jede Kraft verlangt ein eigenes strategisches Denken.
1. Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern
Im Zentrum des Modells steht die direkte Konkurrenz. Die Intensität der Rivalität hängt ab von Marktstruktur, Wachstumsraten, Differenzierungsgraden und Kapazitätsauslastung. Unternehmen, die sich in gesättigten Märkten ohne klare Differenzierung gegenüberstehen, führen erbitterte Preiskämpfe – auf Kosten ihrer Rentabilität.
Herausforderung: Den eigenen Wert sichtbar machen, statt sich in Vergleichbarkeit zu verlieren.
Mindset: Wettbewerb ist kein Krieg, sondern ein Spiel mit Regeln – wer sie versteht, gewinnt Spielraum.
2. Bedrohung durch neue Anbieter
Neue Marktteilnehmer bringen frische Ideen – aber auch Preisdruck. Entscheidend ist nicht, ob jemand neu dazukommt, sondern wie leicht das möglich ist. Hohe Eintrittsbarrieren wie Patente, Skaleneffekte oder Netzwerkeffekte schützen bestehende Spieler – fehlende Hürden machen den Markt fragil.
Aufgabe: Eintrittshürden erkennen, erhöhen oder intelligent umgehen.
Lernfeld: Innovationsschutz, Markteintrittsstrategien, Plattformlogiken.
3. Verhandlungsmacht der Lieferanten
Wer knappe, differenzierte oder schwer substituierbare Ressourcen liefert, sitzt am längeren Hebel. Besonders gefährlich wird es, wenn wenige Anbieter viele Abnehmer bedienen – und diese abhängig sind. Strategische Partnerschaften oder Lieferantenwechsel können hier Macht balancieren.
Haltung: Abhängigkeit ist nicht gegeben – sie wird gestaltet.
Skill: Wertschöpfungsketten aktiv managen, strategische Sourcing-Kompetenz entwickeln.
4. Verhandlungsmacht der Kunden
Informierte, gut organisierte oder preissensible Kunden können die Margen empfindlich senken. Besonders dann, wenn Produkte leicht vergleichbar und Wechselkosten gering sind. Hier hilft Differenzierung – nicht nur im Produkt, sondern im Service, in der Beziehung, im Vertrauen.
Strategie: Vom Produktanbieter zum Problemlöser werden.
Mindset: Kundenmacht ist keine Bedrohung, sondern Einladung zur Relevanzsteigerung.
5. Bedrohung durch Ersatzprodukte
Nicht der direkte Konkurrent ist oft das größte Risiko, sondern der unerwartete Substitut. Videostreaming war keine neue TV-Sendung – sondern ein neues Paradigma. Wer sein Produkt nicht ständig neu denkt, riskiert, dass andere das übernehmen.
Aufgabe: Horizont erweitern – nicht nur im Markt, sondern in angrenzenden Bedürfnissphären.
Lernfeld: Innovationsradar, Nutzerzentrierung, disruptives Denken.
Das Five Forces-Modell: Strategisches Denken braucht Struktur – aber keine Statik
Das Five Forces-Modell zwingt Organisationen zur Realitätsschärfung: Es geht nicht darum, was sie gerne tun würden, sondern was die Marktstruktur erlaubt – und wie man diese strukturell beeinflussen kann. Es macht deutlich, dass Strategie nicht im luftleeren Raum entsteht, sondern im Spannungsfeld systemischer Kräfte, die gemessen, gedeutet und genutzt werden müssen.
Doch so klar die Struktur, so dynamisch ihr Kontext: Die Kräfte verändern sich. Plattformmärkte verschieben Machtverhältnisse, neue Technologien senken Eintrittsbarrieren, Kunden fordern Mitgestaltung statt Konsum. Deshalb ist Porters Modell kein statisches Analyseinstrument, sondern ein strategischer Resonanzraum – der nur dann Wirkung entfaltet, wenn er regelmäßig neu zum Klingen gebracht wird.
Wer die Five Forces ernst nimmt, analysiert nicht nur – er führt mit klarem Blick. Und schafft damit die Voraussetzung für eine Strategie, die nicht bloß reagiert, sondern gestaltet. In einem Markt, der sich ständig verändert, bleibt eines konstant: Die Notwendigkeit, seine Kräfte zu kennen – und sie zu bündeln.
Das Five Forces-Modell – Literatur
Autor: Michael E. Porter
- Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors (1980)
Porter legt die Grundlagen der Wettbewerbsanalyse mit seinem „Five Forces“-Modell und positioniert sich gegen rein interne Stärken-Schwächen-Analysen. - Competitive Advantage (1985)
In diesem Werk stellt Porter das Konzept der „Wertkette“ vor und erklärt, wie Unternehmen durch Differenzierung oder Kostenführerschaft nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen können.
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